Blue Jasmine: Dont call the police, if you dont know who you are
Es ist ja bekanntlich so: Die schlechten Woody Allen Filme sind immer noch ziemlich gut und die guten Woody Allen Filme sind großartig. Kaum auszumalen also, wie ultragalaktischgeil seine besten Filme sein müssen. Blue Jasmine ist einer von ihnen.
Und so gilt für das Publikum dasselbe, wie für Jasmine: "He swept me of my feet". Nur sind die Folgen von diesem Den-Boden-unter-den-Füßen-verlieren von weit unterschiedlicher Dramatik. Während wir KinobesucherInnen uns nämlich von Altmeister W. Allen umwerfen lassen, wird Jasmine von ihrem späteren Ehemann Hal aus der Bahn geworfen, während der Pianist Blue Moon trällert - eine jener Anekdoten, die Jasmine gebetsmühlenartig im Laufe der Geschichte wiederholt. Geendet hat Jasmins Umgefworfen-werden allerdings mit K.O., weil es da keine Grundlage gab, auf der sie wieder hätte Fuß fassen können. Denn auch wenn man sich seine eigene Lebensgeschichte noch so oft erzählt: sie wird sich nicht umschreiben - und wahr wird sie auch nicht. Vor allem nicht in einer (High) Society, in der alles zur Phrase verkommt und der Schein das Sein längst aufgesogen hat.
Umso schlimmer, wenn man den dummer Fehler begeht, aus diesem Spiel auszusteigen. (Achtung Spoiler!) Gemeint ist Jasmines Anruf beim FBI, mit dem das Schicksal seinen Lauf nimmt. Der Stiefsohn bricht wie einst Jasmine sein Studium ab, verlässt die Familie und wird drogensüchtig. Ein klein bisschen schlimmer verläuft Gatte Hals Lebensabend: Der veruntreuende Untreue landet im Knast, wo er sich sich, wie Jasmine betont, das Genick gebrochen hat. Wobei... wer hat da eigentlich wem das Genick gebrochen?
Jasmine Francis gibt es nicht
Zufällig hab ich mir den Film gleich zweimal im Kino angesehen, an zwei aufeinanderfolgenden Tagen und war dann überrascht, wie sehr sich das, was ich beim zweiten Mal sah, von meinem ersten Eindruck unterschieden hat. Denn, ich gestehe, ich bin tatsächlich ganz schön auf Jasmine reingefallen. Oder sagen wir vielmehr: Auf Cate Blanchett. Und da zeigt sich wiedermal, wie gut es ist, eine zweite Chance zu bekommen, etwas, das Jasmine ja leider nicht nicht zugesprochen wird.
Erst bei meinem zweiten Mal, habe ich die ganze Dimension dessen erfasst, was Blanchett da eigentlich wirklich leistet. In kleinen Gesten, in den subtilsten Bewegungen und den feinsten Variationen der Stimmlage - hier verrät Cate Blanchett Jasmine, als das, was sie ist: Keine gerade-noch-Opportunistin, sondern eine leider-schon-Verbrecherin, die weniger wirklichkeitsfremd als kaltblütig agiert. Jasmine ist auch verantwortlich für den finanziellen Ruin ihrer Schwester, denn sie ist es, die vorschlägt, den Lottogewinn sofort zu investieren - nicht Hal. Es ist also kein Wunder, dass Jasmine, einer griechischen Tragödie gleich, von den Rachegöttigen heimgesucht und letztlich in den völligen Wahnsinn getrieben wird. Es ist weniger der Verlust der öknomischen Existenz, als das brennende Schuldgefühl, das auch Jasmine letztlich das Genick bricht. Sehen und erkennen kann (will) die Gebrochene das alles jedoch schon längst nicht mehr, denn ähnlich wie Ödipus sucht sie im Moment der Erkenntnis die Blindheit. (In diese Versuchung hat die umwerfende Cate Blanchett eben auch mich geführt).
Jasmine ist eine, den (us-amerikanischen) Mythen von Reichtum und Glanz verfallene Frau, die in sich in einem einzigen, rießengroßen Simulacrum eingenistet hat, in dem sie zwar alles mögliche, aber nicht sie selbst ist. Wie es sich für eine gute Gattin gehört, nimmt sie den Nachnamen des Ehemanns an, doch Jasmine geht noch einen Schritt weiter: Auch ihr Vorname ist nicht mehr ihr eigener, aus dem langweiligen Jeanette wurde ein duftendes Jasmine. Selbstauflösung im großen Stil. Jeanette gibt es nicht mehr und Jasmine Francis hat sich abgeschafft. Und zwar im Zuge ihrer Ehe zu Hal, dem es natürlich weniger um Jasmine geht, als um die Notwendigkeit einer konversationstüchtigen, gutaussehenden Ehefrau für diverse Empfägne und Cocktailpartys. Genau dafür benötigt auch Dwight (der fesche Botschafter aus Vienna, den sie bei einer dieser Partys kennenlernt) Jasmine. Auch hier versucht sie ihr (Un)Glück. Dieser verzweifelte Versuch, erneut in eine Blase einzutauchen, wird für Jasmine und uns ZuschauerInnen zum wahren Höllentrip. Jasmine wird durch das, was sie mit Dwight durchlebt, ihr Niedergang als unabhängige Frau nochmal schmerzhaft vor Augen geführt und so ist es nur verständlich, dass Jasmine nach dem Heiratsantrag gleich mal eine anständige Dosis Antidepressiva schlucken muss (und wir schlucken im Geiste mit ihr).
Die Frau exisitiert in diesem Kosmos nur über ihre Definition durch den Mann. Fällt dieser weg, ist es auch um die Witwe geschehen. Und so hat dieser Film ein ein nicht unradikales feministisches Element, das jedoch nicht zur Botschaft verkommt (also dafür ist Allen nun wirklich nicht der Richtige) und somit umso stärker wirkt. Als Jasmine, die betrogene Ehefrau, ihre Würde zurück erlangen will, indem sie das FBI ruft, bekommt sie erst recht eine aufs Maul. Das ist die Tragik an ihrer Geschichte: Emanzipation unmöglich. Gleichzeitig definieren sich die Männer dieses Films beinahe nur über ihren Beruf und ihr Vermögen. Ach Woody, leben wir denn immer noch im 19. Jahrhundert? Zumindest in manchen Bereichen scheint es so. Und so kehrt Allen von seinen cineastischen Ausflügen, die ihn mit seinen letzten drei Streifen nach London, Paris und Rom geführt haben, mit einem wenig schmeichelhaften Film über die us-amerikanische Gesellschaft in sein Geburtsland zurück. In einem weiteren katastrophalen Hollywood-Jahr, ist Allen einer der wenigen (mir) bekannten Regisseure, der dem us-amerikanischem Kino, das seine Vormachtstellung auch in Sachen Qualität längst an die Fernsehserie verloren hat, noch so etwas wie Relevanz verleiht.
Rationale Empathie
Jasmines Story ist - na no na net - eine Metapher auf die Finanzkrise und deren Ursachen. Mit dem Geld verhält es sich so, wie mit Jasmine: Es wird mit etwas gehandelt, das es nicht gibt. Etwas, das kein Back-Up mehr kennt, durch keine Goldreserven abgedeckt wird und dessen Wert dadurch schrecklich inflationär und arbiträr wird. So wie der Wert von Jasmine Francis. Und da wie dort muss der Zeitpunkt kommen, wo die Blase platzt. Alles das erzählt Allen jedoch ohne Zeigefinger und Holzhammer. Sein Film ist ein beschwingter Swing am Abgrund einer ökonomisch wie seelisch zerstörten Existenz, in Szene gesetzt mit einem infernalen Humor, dessen völliges Verschwinden in der letzten Szene des Films, als Jasmine auf der Parkbank endgültig zu Grunde geht, einen vor Schrecken erschaudern läßt. Jedoch nicht Brutalität, Provokation oder Affekt sind die Mittel, die Allen einsetzt, sondern eine ganz besondere Form der Empathie, deren Funktionieren nicht nur auf einer Gefühlsebene, sondern auch auf einer rationalen Verstandesebene fußt.
Das mag jetzt etwas pathetisch und doof klingen, aber: Bei Blue Jasmine sieht man nicht nur den Regisseur Woody Allen, sondern auch den an Lebensklugheit reichen Menschen Woody Allen am Gipfel seines künstlerischen Schaffens. Blue Jasmine ist ein Werk, das in der Sichtbarmachung des Zusammenspiels aus individueller Psychologie auf der einen, sowie gesellschaftlicher Strukturen und Zwängen auf der anderen Seite zu universaler Bedeutsamkeit gelangt und von vereinfachenden Gut-Böse Dichotomien verschont bleibt. Gepaart mit einem breitfächrigen Figurenensemble, absurder Komik, dem Potrait einer Stadt und der Chronik eines zugrundegehendes Landes, steht Blue Jasmine der Tradition von Grandmaster Dostojewski (den Allen eifrig in Match Point zitiert). Und ein noch hochtrabenderes Kompliment fällt selbst mir nicht mehr ein, bei einem Film, für dessen Existenz ich vor lauter Dankbarkeit jeden Tag ein Rosenkranzerl beten könnte.
Und so gilt für das Publikum dasselbe, wie für Jasmine: "He swept me of my feet". Nur sind die Folgen von diesem Den-Boden-unter-den-Füßen-verlieren von weit unterschiedlicher Dramatik. Während wir KinobesucherInnen uns nämlich von Altmeister W. Allen umwerfen lassen, wird Jasmine von ihrem späteren Ehemann Hal aus der Bahn geworfen, während der Pianist Blue Moon trällert - eine jener Anekdoten, die Jasmine gebetsmühlenartig im Laufe der Geschichte wiederholt. Geendet hat Jasmins Umgefworfen-werden allerdings mit K.O., weil es da keine Grundlage gab, auf der sie wieder hätte Fuß fassen können. Denn auch wenn man sich seine eigene Lebensgeschichte noch so oft erzählt: sie wird sich nicht umschreiben - und wahr wird sie auch nicht. Vor allem nicht in einer (High) Society, in der alles zur Phrase verkommt und der Schein das Sein längst aufgesogen hat.
Umso schlimmer, wenn man den dummer Fehler begeht, aus diesem Spiel auszusteigen. (Achtung Spoiler!) Gemeint ist Jasmines Anruf beim FBI, mit dem das Schicksal seinen Lauf nimmt. Der Stiefsohn bricht wie einst Jasmine sein Studium ab, verlässt die Familie und wird drogensüchtig. Ein klein bisschen schlimmer verläuft Gatte Hals Lebensabend: Der veruntreuende Untreue landet im Knast, wo er sich sich, wie Jasmine betont, das Genick gebrochen hat. Wobei... wer hat da eigentlich wem das Genick gebrochen?
Jasmine Francis gibt es nicht
Zufällig hab ich mir den Film gleich zweimal im Kino angesehen, an zwei aufeinanderfolgenden Tagen und war dann überrascht, wie sehr sich das, was ich beim zweiten Mal sah, von meinem ersten Eindruck unterschieden hat. Denn, ich gestehe, ich bin tatsächlich ganz schön auf Jasmine reingefallen. Oder sagen wir vielmehr: Auf Cate Blanchett. Und da zeigt sich wiedermal, wie gut es ist, eine zweite Chance zu bekommen, etwas, das Jasmine ja leider nicht nicht zugesprochen wird.
Erst bei meinem zweiten Mal, habe ich die ganze Dimension dessen erfasst, was Blanchett da eigentlich wirklich leistet. In kleinen Gesten, in den subtilsten Bewegungen und den feinsten Variationen der Stimmlage - hier verrät Cate Blanchett Jasmine, als das, was sie ist: Keine gerade-noch-Opportunistin, sondern eine leider-schon-Verbrecherin, die weniger wirklichkeitsfremd als kaltblütig agiert. Jasmine ist auch verantwortlich für den finanziellen Ruin ihrer Schwester, denn sie ist es, die vorschlägt, den Lottogewinn sofort zu investieren - nicht Hal. Es ist also kein Wunder, dass Jasmine, einer griechischen Tragödie gleich, von den Rachegöttigen heimgesucht und letztlich in den völligen Wahnsinn getrieben wird. Es ist weniger der Verlust der öknomischen Existenz, als das brennende Schuldgefühl, das auch Jasmine letztlich das Genick bricht. Sehen und erkennen kann (will) die Gebrochene das alles jedoch schon längst nicht mehr, denn ähnlich wie Ödipus sucht sie im Moment der Erkenntnis die Blindheit. (In diese Versuchung hat die umwerfende Cate Blanchett eben auch mich geführt).
Jasmine ist eine, den (us-amerikanischen) Mythen von Reichtum und Glanz verfallene Frau, die in sich in einem einzigen, rießengroßen Simulacrum eingenistet hat, in dem sie zwar alles mögliche, aber nicht sie selbst ist. Wie es sich für eine gute Gattin gehört, nimmt sie den Nachnamen des Ehemanns an, doch Jasmine geht noch einen Schritt weiter: Auch ihr Vorname ist nicht mehr ihr eigener, aus dem langweiligen Jeanette wurde ein duftendes Jasmine. Selbstauflösung im großen Stil. Jeanette gibt es nicht mehr und Jasmine Francis hat sich abgeschafft. Und zwar im Zuge ihrer Ehe zu Hal, dem es natürlich weniger um Jasmine geht, als um die Notwendigkeit einer konversationstüchtigen, gutaussehenden Ehefrau für diverse Empfägne und Cocktailpartys. Genau dafür benötigt auch Dwight (der fesche Botschafter aus Vienna, den sie bei einer dieser Partys kennenlernt) Jasmine. Auch hier versucht sie ihr (Un)Glück. Dieser verzweifelte Versuch, erneut in eine Blase einzutauchen, wird für Jasmine und uns ZuschauerInnen zum wahren Höllentrip. Jasmine wird durch das, was sie mit Dwight durchlebt, ihr Niedergang als unabhängige Frau nochmal schmerzhaft vor Augen geführt und so ist es nur verständlich, dass Jasmine nach dem Heiratsantrag gleich mal eine anständige Dosis Antidepressiva schlucken muss (und wir schlucken im Geiste mit ihr).
Die Frau exisitiert in diesem Kosmos nur über ihre Definition durch den Mann. Fällt dieser weg, ist es auch um die Witwe geschehen. Und so hat dieser Film ein ein nicht unradikales feministisches Element, das jedoch nicht zur Botschaft verkommt (also dafür ist Allen nun wirklich nicht der Richtige) und somit umso stärker wirkt. Als Jasmine, die betrogene Ehefrau, ihre Würde zurück erlangen will, indem sie das FBI ruft, bekommt sie erst recht eine aufs Maul. Das ist die Tragik an ihrer Geschichte: Emanzipation unmöglich. Gleichzeitig definieren sich die Männer dieses Films beinahe nur über ihren Beruf und ihr Vermögen. Ach Woody, leben wir denn immer noch im 19. Jahrhundert? Zumindest in manchen Bereichen scheint es so. Und so kehrt Allen von seinen cineastischen Ausflügen, die ihn mit seinen letzten drei Streifen nach London, Paris und Rom geführt haben, mit einem wenig schmeichelhaften Film über die us-amerikanische Gesellschaft in sein Geburtsland zurück. In einem weiteren katastrophalen Hollywood-Jahr, ist Allen einer der wenigen (mir) bekannten Regisseure, der dem us-amerikanischem Kino, das seine Vormachtstellung auch in Sachen Qualität längst an die Fernsehserie verloren hat, noch so etwas wie Relevanz verleiht.
Rationale Empathie
Jasmines Story ist - na no na net - eine Metapher auf die Finanzkrise und deren Ursachen. Mit dem Geld verhält es sich so, wie mit Jasmine: Es wird mit etwas gehandelt, das es nicht gibt. Etwas, das kein Back-Up mehr kennt, durch keine Goldreserven abgedeckt wird und dessen Wert dadurch schrecklich inflationär und arbiträr wird. So wie der Wert von Jasmine Francis. Und da wie dort muss der Zeitpunkt kommen, wo die Blase platzt. Alles das erzählt Allen jedoch ohne Zeigefinger und Holzhammer. Sein Film ist ein beschwingter Swing am Abgrund einer ökonomisch wie seelisch zerstörten Existenz, in Szene gesetzt mit einem infernalen Humor, dessen völliges Verschwinden in der letzten Szene des Films, als Jasmine auf der Parkbank endgültig zu Grunde geht, einen vor Schrecken erschaudern läßt. Jedoch nicht Brutalität, Provokation oder Affekt sind die Mittel, die Allen einsetzt, sondern eine ganz besondere Form der Empathie, deren Funktionieren nicht nur auf einer Gefühlsebene, sondern auch auf einer rationalen Verstandesebene fußt.
Das mag jetzt etwas pathetisch und doof klingen, aber: Bei Blue Jasmine sieht man nicht nur den Regisseur Woody Allen, sondern auch den an Lebensklugheit reichen Menschen Woody Allen am Gipfel seines künstlerischen Schaffens. Blue Jasmine ist ein Werk, das in der Sichtbarmachung des Zusammenspiels aus individueller Psychologie auf der einen, sowie gesellschaftlicher Strukturen und Zwängen auf der anderen Seite zu universaler Bedeutsamkeit gelangt und von vereinfachenden Gut-Böse Dichotomien verschont bleibt. Gepaart mit einem breitfächrigen Figurenensemble, absurder Komik, dem Potrait einer Stadt und der Chronik eines zugrundegehendes Landes, steht Blue Jasmine der Tradition von Grandmaster Dostojewski (den Allen eifrig in Match Point zitiert). Und ein noch hochtrabenderes Kompliment fällt selbst mir nicht mehr ein, bei einem Film, für dessen Existenz ich vor lauter Dankbarkeit jeden Tag ein Rosenkranzerl beten könnte.
Lebensmensch - 2013-12-29 14:44
Lebensmensch - 2013-12-29 18:09
pps: blue jasmine ist ja von tennessee williams endstation sehnsucht inspiriert. habe ich weder gelesen noch gesehen und kann deshalb darüber nichts sagen. leider.
Judith (Gast) - 2013-12-29 20:26
Master of the Universe
Zum Thema Männer, Berufe und Vermögen empfehle ich:
http://www.youtube.com/watch?v=PjAQKGmoWzA
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a good man is hard to find
http://www.youtube.com/watch?v=ERjYanrioy4