Samstag, 28. November 2015

I actually cried watching Southpark, fuck sake!

tweakvscreig

South Park, die große Erzählung der (us-amerikanischen) Gegenwart seit 1997. Und nie war der Scheiss so gut wie in der aktuellen 19. Season, beispielweise in der 6. Folge Tweek x Craig.

Man kennt das ja: Gemeinsam als Paar sich bezaubern lassen. Von South Park, Borussia Dortmund oder eben, im Feld der Liebe, von einem frischen Jüngling, oder einer strengen MILF, den oder die man sich dann mal gemeinsam ins Bett holt. (Muss aber auch nicht sein: Kollektives Anschmachten zeigt auch schon Wirkung.) Bezaubert werden kann man aber auch von einem anderen Pärchen. Vor allem von einem homosexuellen Pärchen und ganz vor allem einem schwulen Pärchen. Weil: Kaum etwas lieben Menschen wie Du und Ich lieber, als zwei sich liebende Jungs. Da geht einem das Herz auf, dass einem ganz anders wird. Und zu Recht: Man freut sich einfach, dass sowas endlich sein darf, dass Menschen sowas endlich offen leben dürfen. Und man selbst ist gleichzeitig so fucking stolz darauf, das gut zu finden, dass einem auch schon wieder ganz anders wird.
Die ganze Sache ist also widersprüchlich hoch 10. Dass es sich hier um ein Phänomen handelt, das ohne jede Frage viel Gutes, Schönes und Erstebenswertes im Menschen zeigt, ist genauso wahr, wie dass es sich dabei um positive Diksiminierung handelt, um ein unappetitliches Gehabe der politisch korrekten Bio Generation, die sich dann eben lieber mit dem guten Leben, etwa Polyamorie, als Ausweg beschäftigt, und dabei schnell mal vergisst, sich auch das reinzuziehen, was weh tut und kaum auszuhalten ist: Die mörderische Hölle, die Welt ist. Aber eben: Da ist halt auch eine gehörige Portion "proto-politisches Potential" (M. Fritz) in diesem, am Fan-Sein angeseidelten Feld der sanften Kollektivierung. Wir fühlen also beides. Wir sind bezaubert von den Gay Boys, die wir auf der Party am Wochenede sehen und finden uns zugleich selbst schäbig, diese Jungs vor den Wagen unseres guten Gewissens zu spannen (oder, wie ich immer sage: Zum Objekt auf dem Schlachtfeld unseres Begehrens zu machen).

Nun also zur Episode Tweek x Craig. Was passiert? Eine Gruppe asiatisch stämmiger Mädels (Japanerinnen! wie wir erfahren) frönt dem Manga-Genre Yaoi, "das homosexuelle Beziehungen zwischen männlichen Protagonisten mit expliziten erotischen Darstellungen zum Thema hat." (wikipedia) Ohne einen ersichtlichen Grund haben sich die Yaoi Zeichnerinnen Tweek und Craig ausgesucht, von denen sie nun herzzerreisende Bilder in Umlauf bringen, die die beiden Jungs als Paar zeigen. (Auf einer Metaebene gibt es zumindest den Verweis auf die Folge "Tweek vs Craig", Staffel 3). Aber was einmal in die Welt gesetzt wird, ist so schnell nicht mehr von da weg zu bekommen. Vor allem weil die, in der 19. Staffel zu gentrifizierungswütigen Nachhaltigkeitsbürgern verkommenen Einwohner von South Park, jeder Wirklichkeit zum Trotz unbedingt an die homoerotische Beziehung von Tweek und Craig glauben wollen (zu Realitätsverweigerung vgl. die vorhergehende 5. Folge). Natürlich auch Randy, der gerade erst den neuen Bioladen in South Park erkämpft hat: "Our town has only had our first Whole Foods for a few weeks and we already have our first gay kids. So cool." Der ADHS Spasti Tweek (man hätte keinen besseren für die Rolle finden können) und der meist übellaunige Craig verstehen die Welt nicht mehr, auch Stan findet bei seinem Vater Randy keine Erklärung (die Japaner!). Und so fügen sich Tweek und Craig nach und nach ihrem Schicksal.
Soweit so gut. Nun aber kommt der geniale Kunstgriff dieser Folge: Wir Zuschauer sehen, worüber sich die South Park Macher rund um Trey Parker und Matt Stone lustig machen, nämlich über diese positive Diskriminierung, und gleichzeitig sind wir selber hingerissen und gerührt von Tweek und Craig und finden diese Jungs wirklich zum Fressen süß (obwohl sie gar nicht verliebt sind! obwohl ihnen so übel mitgespielt wird!). Das, was die Folge kritisiert, verursacht sie im selben Moment beim Zuseher. Und das funktioniert so besorgniserregend gut, dass man nur demütig vor den Genies von Parker und Stone neiderknien kann. Da gibt es zum Beispiel einen User auf youtube, der völlig entgeistert postet: "I actually cried watching Southpark, fuck sake!". Und viele weitere User antworten: "same" und ein anderer: "I did to bro, I did to."
Wie haben die das nur geschafft? Natürlich liegt es auch an dieser teuflisch guten Musikauswahl (Peter Gabriel: The Book of Love und A Great Big World: Say Something). Diese verdammte Musik! Wir wollen sie nicht gut finden, aber wir müssen. Wir wollen nicht so sein, wie die Einwohner von South Park und doch sind wir es. Wir werden offenen Auges von Parker und Stone vergewaltigt, ohne etwas dagegen tun zu können. Das ganze Dilemma unserer Zeit wird den Zuschauern nicht nur gezeigt, sondern an ihnen selbst vollzogen! Uns geht es genauso wie Odysseus, der sich an den Mast binden lässt, um die Sirenen hören zu können. Adorno und Horkheimer sahen in diesem Selbstbetrug eine zentrale Ursache für das Übel des Subjekts im Zeitalter des Kapitalismus und der Kulturindsutrie. Parker und Stone sind ihre würdigen Nachfolger. Amen.
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Link zur Folge (im Menü rechts befindet sich die Sprachauswahl):
http://www.southpark.de/alle-episoden/s19e06-tweek-x-craig
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mauszfabrick - 2015-11-30 11:47

ich will nicht haarspalterisch sein, aber wenn es schon darum gehen soll, nicht schlampig zu lieben: kompersion meint, wie du weißt, nicht gemeinsame freude von pärchen an anderen. sehr schön hingegen ist es, wie die erfahrung zeigt, meist im angeseidelten feld.

Lebensmensch - 2015-11-30 21:43

ach ja stimmt! das bäckerbeispiel!

naja, jetzt wo du meinen fb account lahmgelegt hast, liests ja wirklch kein mensch mehr... vielleicht ändere ich es dennoch.
ach wie mühsam.
mauszfabrick - 2015-12-01 10:49

tja das hast du jetzt davon (immerhin wird auch niemand lesen, dass du es geändert hast und die comments verstehen)

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