Dienstag, 5. Januar 2016

2016 / 4

frühes aufwachen nach unruhiger nacht (trotz bewegung gestern und verausgabung). sündemann, die noch weniger schlafen konnte, steht um 6 auf, weil sie in heidelberg ein flüchtlingsprojekt dokumentiert. (ein werbefilm, oder, wie herzog sagen würde: ein gebrauchsfilm). ich bin froh, dass zumindest sündemann irgendetwas in dieser "angelegenheit" "tut". mir selbst fehlt der nötige realweltbezug. überhaupt habe ich es nur ihr zu verdanken, dass ich selbst nicht vollständig ein entpolitisierter, hedonistischer, immerzu "amazing!" ausrufender, alles schwierige ausblendender und nur aus pr-gründen schwul seiender unterhaltungskünstler geworden bin - zu dem ich mich sonst entwickelt hätte (oder mich meine vorhergehenden "affären" früher oder später, aber ganz sicher gemacht hätten.)

mein tagesplan ist simpel: unterwerfung von houellebecq kaufen und lesen. habe ich selbst für das lektüreseminar vorgeschlagen.
und das ausgerechnet heute, wo halb deutschland und ganz köln vollkommen durchdreht, wegen der übergriffe von geschätzt 1000, geschätzt arabern gegen feiernde frauen in der silvesternacht. das alles ist von hinten bis vorne so ekelhaft und falsch, dass einem der kopf explodieren möchte. ich lese also die ganzen zeitungen durch. im gegensatz zu gestern schreiben die, dass alle zeugenaussagen übereinstimmend von "nordafrikanisch..." aussehenden männern berichten. wer das nicht erwähnt, ist der österr. standard. dagen laufen die leser sturm. 2500 (!) postings in wenigen stunden, gegen den unprominent platzierten artikel über köln, der nichts von den zeugenaussagen wiedergibt. die leser drehen durch, wahnsinn. das standard forum ist mehr od weniger zu 100% am islamhetzen. das schreckt ja beinahe schon mich. (beinahe!) weil jetzt natürlich bei mir auch 10.000 glocken gleichzeitig am läuten. natürlich gibt es hier ein strukturelles problem. dieses problem heisst vor allem KAPITALISMUS, ihr vollspastis, davon redet aber keiner. aber natürlich heißt das problem auch islam. dass diese frauen nicht nur ausgeraubt, sondern misshandelt und gedemütigt wurden, naja, das hat mit armut allein wenig zu tun. gleichzeitig denke ich mir: na klar wollen die medien das nicht schreiben, weil sie wissen, dass es dann nicht mehr lange dauern wird, bis man statt den asylheimen deren insassen anzünden wird. schwierige entscheidung also. wie ging noch mal der ingeborg bachmann satz? und was würde denn die dazu sagen? sicher etwas klügeres als ich. mir fällt zu allem nichts mehr ein. ich bin so ausgedummt durch den ganzen schrott, den ich mir übers internet reinziehe, dass ich wirklich nur mehr wegen meinem ego schreibe, nicht aber aus besserem wissen.

also los - unterwerfung kaufen. nachdem ich weder in die mayersche noch in die buchhandlung bittner will (das arte der buchhandlungen kölns, also schrecklich, aber alles andere ist noch schlimmer) in die billigbuchhandlung, mängelwarenexemplare. nachdem ich mich heute selbst als ein solches empfinde, passt das ja ganz gut. unterwerfung haben die aber erwartungsgemäß nicht. ich kaufe josef winkler: mutter und der bleistift, alexander kluge: das bohren harter bretter und mary shelly: frankenstein. ich zögere lange vor der kassa. ist es wirklich das? bin ich so? aber was sonst? außer goetz, pollesch, dath, röggla und kracht vertraue ich keinem von den "jungen". und die gabs dort alle nicht.
also winkler, kluge, frankenstein. ein wahnsinniger, ein marxist und ein monster. passt eh, denke ich. und ich denke: "die jelinek würde das gut finden." (habe ich wirklich gedacht. überhaupt ist der mensch süß, wenn er sich in gedanken vor irgendwem rechtfertigt.)
dann doch buchhandlung bittner. der besitzer inszeniert sich als letzter intellektueller und spricht über "gute" amerikanische krimis. rundherum knien drei frauen mittleren alters und beten den herren an. köln also ganz in seinem element.
ich stürme hinaus und steuere auf die mayersche zu. da aber plötzlich noch eine buchhandlung! irgendsoeine dubiose katholische kleine buchhandlung. wie ein kloster. ich gehe hinein. eine bemerkenswert nonnenhafte, entschiedene und doch verbittert wirkende verkäuferin trabt auf mich zu. ja, sagt sie, houellebeq haben sie. während sie sich mühsam nach unten bückt, diese ruhige, katholische, am sexmarkt nullwertige, aufgrund ihres hohen alters in unserer westlichen gesellschaft sowieso hardcore dikskriminierte und verachtete und noch dazu schwer übergewichtige verkäuferin, um mir ausgerechnet michel houellebecq zu pflücken, da denke ich: zumindest das ist heute stimmig.

leistung und vergnügen

Franz-Xaver Franz Drama-Queen

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