Mittwoch, 5. März 2014

post privacy: journal winter (frühling)

da war kein winter. dieses foto: beinahe ein lüge.
IMG_7071

aus zwei wochen wurden zwei monate. aber aus den vorangegangenen monaten wurden keine ewigkeit. das, was mir immer so abstrakt erschien, so belanglos und fern, nämlich die zeit und der raum, füllten sich mit leben. mit vielen vielen leben. mit den leben derjenigen, die da waren und derjenigen, die nicht da waren. mit den leben derjenigen, die gegangen sind und denen, die nicht gehen konnten. mit den leben jener, die gehen mußten, aber zurück wollten und mit den leben jener, die freiwillig gegangen sind und nie weg waren. mit den leben derer, die ich gerade erst kennengelernt hatte und die mir sofort vertraut waren und mit den leben derer, die ich schon ewig kannte und mir immer fremd blieben. mit leben aus meiner kindheit, mit den leben meiner familie. mit leben, die da waren, bevor ich da war. ich habe es gesehen, auf den photographien, die mein vater uns geschenkt hat, vor diesen hunderttausend jahren, die zwei monate lang dauerten. die waren schon vorher da, die anderen. die eltern und die geschwister. und dann erst ich. eine aufdringlichkeit? wo man es doch dabei hätte belassen können, nach dreien von uns. mein leben eine kür? daher mein fehlendes pflichtbewußtsein? das ewige gefühl, dass es nicht sein müßte und dass es auch anders sein könnte, alles immer anders sein könnte? und daher auch mein lautes wesen? hallo, jetzt bin ich da!
aber jetzt bist du da. hallo, du.

gibt es diese geschichte schon? ich baue eine zeitmaschine, nur um dich schon früher kennenlernen zu können. (vielleicht als sequal zu eternal sunshine of the spotless mind)

diese vorstellung: man lernt die liebe seines lebens erst im fortgeschrittensten alter kennen (und das, die liebe des lebens, muss nicht unbedingt ein mensch sein. wohl eher ist es eine weise des seins). und die nun einsetzende, raßende angst vor dem tod, bringt einen sofort um.
oder noch schlimmer: das einsetzen eines vernichtenden bereuens über die mittelmäßigkeit des vorangegangenen, bisherigen lebens, die sich noch jahre zieht und alles helle in den schatten stellt.
(und der wunsch der religiösen, dass es den sündern im augenblick ihres todes so ergehen möge, zeigt ihre ganze niederträchtigkeit.)
überhaupt vermute ich, dass vieles von der angst vor dem tun und ändern und sein, eine daran angeschlossene angst vor dem bereuen ist. die angst, zu sich selbst zu sagen: gut, dass ich mich von dir gelöst habe.

aber es ist ja auch so:
ich möchte glücklich sein. ich möchte, dass du glücklich bist.
ich möchte, dass du glücklich bist, weil ich glücklich bin (glücklich bin wegen dir). aber: ich möchte nicht, dass du unglücklich bist, unglücklich bist weil ich unglücklich bin. und am allerwenigsten: dass du unglücklich bist, weil ich glücklich bin.
(und doch enstpricht diese glücksspirale dem gewöhnlichen hergang einer paarbeziehung)

appropos: vielleicht ist mein ausgeprägter narzissmus nur dazu da, um mich vor dem zerstörerischsten aller gefühle zu schützen: der eifersucht.

ich möchte schon wissen, wo das finstere in mir ist.
nein, mehr noch: wo es herkommt.
nein, mehr noch: was es ist.
nein, nein, nein, mehr noch: was ich damit tun soll.
wir ziehen es ans licht, das finstere in mir. das kann ich nicht alleine. dann stehen wir drum herum und schauen es an. was nun damit anfangen?
es gehen lassen? oder sich darin gehen lassen?
es aufheben? oder sich darin aufheben?
damit spielen? oder sich damit spielen?
es bekämpfen? oder sich damit bekämpfen?

oder: sich mitteilen und teilen. und dabei ganz ganz sein. so, wie man ist. nein, mehr noch: so, wie man wird. (sich gehen lassen und dabei ganz da sein. (oh gott, ich werde zunehmend dermaßen esoterisch. aber das mit dem fließen... no doubt about it.))

ich steige in den zug, wenige stunden nachdem wir uns verabschiedet haben und schlage eine zeitung auf. viele gesichter, die nicht du sind. viele sätze, die nicht die deinen sind. nein, nein, nein denke ich und lege die zeitung beiseite. noch nicht.

ich steige aus dem zug und werde am bahnsteig von einem cowboy, einer nonne und einer ente in zweifelhaften, aber doch herzlichen empfang genommen. (alle drei sind mir mindestens so unbekannt, wie sie sich selber kaum (noch) zu kennen scheinen) hallo köln. hallo karneval.
das spiel mit der identität, der wunsch nach auflösung und zerfall, das geht einher, mit der stärksten identitätsbildung. der individualismus nicht im, sondern als kollektiv. und es ist genau so verzwickt. so vielseitig. so banal und so schön und so grausig und so liebenswürdig.
und wie gesagt: das auflösen der identität als identitätsbildung, das ist ja gerade das, was ich will.

und für dich möchte ich alle lings sein. auch der frühling.

leistung und vergnügen

Franz-Xaver Franz Drama-Queen

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